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Alchimisten des Ausdrucks

Anmerkungen zur Ausstellung Helmut Sturm und Lothar Fischer: Arbeiten auf Papier


Am Anfang war die Rebellion.
Die Gruppe Spur, 1957 von Lothar Fischer, Helmut Sturm, Heimrad Prem und Hans-Peter Zimmer gegründet, gehört wohl zu einer der wenigen revolutionären Mythen unseres Lande. Mitten in Einengung der Wirtschaftswunderzeit und des Konservatismus probten sie den Aufstand und sorgten so nicht nur für den Anschluss an die internationale Kunst, sondern vor allem für eine radikale Aufbruchstimmung.

Am Anfang war die Rebellion.
Doch was dann?
Die Kunstrichtung, um die sich damals alles drehte, war das Informel. Viele, auch die Spur-Künstler, sahen darin den Neuansatz, Malerei als Vorgang und Prozess zu begreifen. Doch vielerorts wurde das Informel schnell zur ästhetischen Masche und zum Nepp visueller Phrasendrescher. Ganz nach dem Motto, wer das Publikum nicht überzeugen kann, kann immer noch verwirren.
Sturm aber fand in der Auseinandersetzung mit der klassischen Moderne sowie mit den amerikanischen Expressionisten eine eigene Bildsprache und setzte sich ab vom Malstil des Tachismus und des unverbindlichen Informel.

Sturms Malströme ergießen sich auf die Leinwand, verschlingen sich, breiten sich aus und verdichten sich wieder. Wie die Surrealisten mit der ècriture automatique den ungehindert strömenden Gedankenfluss aufzeichneten, lässt Sturm der Farbe seinen Lauf. Und sie entfaltet ihre symbolische Bedeutung: Das intensive Rot, ein leuchtendes Orange, ein umschlingendes Grün oder ein scharfes Gelb gestützt durch ein tiefes Blau entrücken den Betrachter in einen halluzinatorischen Zustand.
Mit mutigen Setzungen, starken Farbklängen und bewegtem Formspiel gelingen ihm Bilder von eruptiver Kraft.
Eben diese unmittelbare Direktheit, die Symbiose und wechselseitige Intensivierung vom handwerklichem Können hin zum starken, individuellen und ungefilterten Ausdruck verbindet die Malereien Sturms mit den Zeichnungen Fischers.

Was Fischer in seinen Zeichnungen festhält und bildhaft verdichtet, sind Wesen und Geschlechterrollen, Verbindungen und Verhältnisse, Akte, Kontakte, Einigendes und Trennendes, Interaktionen und Berührungen. Wesen, Geschlechter, Gedanken und Gefühle wurden dabei stets angedeutet, vereinfacht und reduziert, als suche er eine symbolische Kraft zu extrahieren, um diese dann dem freien Spiel der Phantasie des Betrachters zu überlassen.

Auch Sturm schleust souverän Gegenständliches in seine bewegten Farbmassen ein. Der Betrachter erwischt sich beim Suchen nach Motiven, die sich mit malerischen und zeichnerischen Mitteln herauskristallisieren: Boote, das Meer, Gebäude, Berge, Köpfe, das alles kann man erkennen in den Flächen, Brechungen, Wellen und Schraffuren.

Fischers und Sturms Werke, die auf den ersten Blick gegensätzlich wirken mögen, sind dabei nur zwei unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel. Zwei Wege, zwei Arten wilder, kraftvoller Träume von einer Welt ohne Hierarchien und voll sinnlicher Dynamik, die der Gesellschaft mit anarchischer Energie die Utopie einer von kreativen Akten getragenen Gemeinschaft entgegen setzen. Insofern muss man beide Werke abgrenzen von der nur allzu nah liegenden Vereinnahmung in die Stilrichtung des abstrakten Expressionismus, des deutschen Informel oder gar des action painting. Denn die expressiv vorgetragene, spontane Gebärde ist bei ihnen zum Konvulsivischen gesteigert. Daraus ergibt sich zwar vordergründig ein kunstimmanentes, ästhetisches Produkt. Es ist aber überwiegend ein lebendig gestalteter, experimenteller Bildraum und vor allem auch eine psychische Improvisation und darin direkter Ausdruck seelischer Gestimmtheiten. Ein direkter Blick in die Seele des Künstlers und in das Wesen der Kunst also. In der Konsequenz schließlich sind ihre Werke Ausdruck vorwärtsdrängender, permanenter Veränderung, absoluter Freiheit und intellektueller Radikalität, die den Betrachter zum Hinschauen, Denken, Assoziieren und Fabulieren auffordert. Und ein bisschen zur Rebellion. Immer wieder auf´s Neue.


© Jóhanna Sigurdardóttir M.A.