Kunsthaus Orplid


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Ibragimow, Doldinger, Haas
www.alinde.de
Offene Werkstatt bei Alinde im Orplid Icking

Kaum jemand kann sie sehen, allenfalls jene mit den besonderen Herzensaugen, diese Geschöpfe der Welten zwischen Körper und Geist: Die Nixen und Gnome, die Devas, die den Pflanzen wachsen helfen, die Waldschrate, die Naturgeister, die Haus- und Herdgeister, die Nymphen im Wasser und Shakespeares Ariel in der Luft. In der Literatur vieler Jahrhunderte wie in Märchen und Sagen dürfen sie sich von jeher zeigen. In der Malerei jedoch sollte der Betrachter wie auch der Maler eben diese Herzensaugen haben, um ihrer ansichtig zu werden in Formen und Farben. Gibt man allein dem Kopf das Recht zu urteilen und macht an Kriterien der Kunstgeschichte fest, wird sich das kleine Volk kaum wirklich und authentisch sichtbar machen lassen.

Eins jedoch ist wichtig: Sie wollen respektiert werden, diese Geschöpfe. Menschenwesen, die dies tun, dürfen sich über Wachsen und Gedeihen freuen. Doch wehe, wenn der Bauer darüber lacht, weil seine Frau das Milchschüsselchen für die Hausgeister in einen Winkel im Stall stellt, dann kann schon eine Seuche die Tiere dahinraffen oder der Hagel die Ernte. „Liebes Mägdlein, ach, ich bitt’, bet’ fürs bucklig Männlein mit!“ heißt es im Kinderlied.

Mit der Ausstellung in allen Räumen des Orplid-Hauses in Icking zeigt Alinde Rothenfußer, dass sie tiefen Respekt hat vor allen diesen Wesenheiten – und dass manche dieser Bilder auch ein Gebet sein können. Doch ist nichts zu erwarten, was sich als Illustration bezeichnen ließe, wie in mancherlei Büchern zum Thema zu finden. Alinde macht nicht Formen und Figuren dingfest, indem sie ihnen ein bestimmtes tradiertes Aussehen verpasst und sie so in die heute so beliebte Fantasy-Welt holt. Sie lässt sich führen, weiß nicht, wenn sie ein neues Blatt beginnt, was daraus werden wird, nicht einmal, welche Farben dominieren werden. „Es ist harte, anstrengende Arbeit“, sagt sie, „es will etwas sich zeigen, aber ich darf nicht bestimmen, wie es auszusehen hat. Irgendwoher kommen Impulse, was zu tun sei. Denen folge ich demütig und dankbar“. Was dabei herauskommt hat sie „Dritte Welt“ genannt, wobei sich jeder sein Teil denken mag.

Den Untergrund, auf dem diese so unterschiedlich sich präsentierende Welt der Elementargeister dann „augenfällig“ werden darf, holt sich die Malerin mit Hilfe ihrer Kamera. Hier schon beginnt sie, etwas zu ehren, das wir, die meisten von uns, als nicht für ehrenswürdig halten: In einer Müllsammelstelle. Die zu Bündeln zusammengepressten Plastikflaschen und Milchtüten in allen Farben sind für sie ein Eldorado, nahe verwandt der abstrakten Farbfeldmalerei, die Außenwände der einst farbig gestrichenen, längst verbeulten, verkratzten und teils korrodierten Container zeigen sich ihr als Informels von eindringlicher Schönheit. Ausgewählte Abzüge aus dieser Kameraausbeute dienen der Malerin als Bildgründe. Dann erst beginnt die eigentliche Arbeit.

Ein Eindruck mag sich dem Betrachter rasch aufdrängen, zumindest was einen Teil der Arbeiten angeht: Diese Wesen bewegen sich freudig, viele von ihnen tanzen und schweben allein oder in Reigen, und sie sind neugierig. Selbst bei einem sich drängenden Schwarm von fischartigen Figuren blicken Augen beobachtend aus dem Bild heraus: Was wirst du machen mit uns? Was vielleicht auch heißen mag: Bitte bedränge uns nicht weiter in unseren Lebensräumen. In anderen Bildern, mit kräftigen Farben, rot, blau, grün, strukturiert und unterstützt, schaut ein Hase einem Vogel zu, der seinen Schnabel nach oben reckt, ein anderes Tier, vielleicht eins dieser erst jüngst entdeckten Tiefseegeschöpfe, versucht zu rennen, unter einem Rochen hindurch, der mit seinem Sägemaul den anderen Angst macht.

Großmannssüchtige gibt es in dieser Welt ebenfalls: In einem reizvollen Zusammenschwingen von Türkis, Braun und Schwarz duckt sich Fußvolk, die Augen gerichtet auf den einen, der es wagt, sich riesig über sie zu erheben. Dann wieder tanzt vor leuchtend lilafarbenem Grund ein Figurenballett, jeder Tänzer in seiner Weise geformt, gemeinsam aber hingegeben an das Kreisen und Schweben. Paare kann man ebenfalls finden: König und Königin aus den Zeiten der Alchemie umarmen sich zärtlich, zwei Fische scheinen ein Duett zu singen und darüber hüpft ein Vogel eilig über einen Ast. Fische und Vögel muss man diese Wesen nennen, weil es dorthin, zu dem uns Bekannten, Ähnlichkeiten in der Form zu geben scheint. Was sie wirklich sind, ließe sich vielleicht allenfalls in Gedichten beschreiben. Akrobatik auf einem Zirkuspferd mag man entdecken, eine lichte Eisprinzessin fliegt auf ihren Kufen dahin, Schildkröte und Schnecken geben sich ein Stelldichein und ein dicker Bär sitzt breit und gemächlich da, während eine Meerjungfrau und eine Ente miteinander dahinschwimmen und ein kleines Rehchen am Rande Zeuge wird.

Doch wo das Helle ist, muss sich auf diesem dualistischen Planeten auch das Dunkle mitmischen dürfen. Wer bereit ist, hinzusehen, findet es in allen Arbeiten, aber er kann sich sogar einer Serie von Bildern stellen, in denen, vordergründig wie verborgen, Höllenfeuer lodert und die Schwärze dessen, was nach dem Feuer bleibt, die Grundstrukturen bestimmt. Hoffnung ist auch hier: Dritte Welt eben.

INGRID ZIMMERMANN