Kunsthaus Orplid


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Orplid in Icking
Ausstellung „Bernd Zimmer – Farbige Holzschnitte“


Eröffnung am 30. Mai 2008

Wolfgang Jean Stock
Einführung


Lieber Bernd Zimmer,
liebe Frau Rothenfußer,
liebe Kunstfreunde,
meine Damen und Herren,


vor meiner Einführung möchte ich kurz sagen, dass ich heute ganz besonders gern vor Ihnen stehe – und zwar aus drei Gründen. Erstens führt uns Frau Rothenfußer durch die Qualität wie auch durch den Umfang dieser Ausstellung wieder einmal vor Augen, dass sie gerade dieses Haus des Orplid wie eine kleine Kunsthalle führt. Dafür gebührt ihr unser aller Dank – und auch unser Beifall!
Zum Zweiten schließt der heutige Abend für mich eine reizvolle Renaissance ein. Zwar ist es schon mehr als 25 Jahre her, doch ist es mir immer gegenwärtig geblieben, dass ich seinerzeit im Kunstverein München den damals jungen Bernd Zimmer zweimal ausstellen durfte: 1981 nach dem Wettbewerb ‚Neue Tendenzen der Zeichnung‘ und ein Jahr später im großen Überblick ‚Gefühl und Härte – Neue Kunst aus Berlin‘. – Und drittens habe ich ein Faible für die so genannten Quereinsteiger, für jene also, die keinen formal vorgezeichneten Weg mit Diplomen oder anderen Abschlüssen gegangen sind, sondern den Mut aufgebracht haben, ohne äußeres Sicherheitsnetz ihren Neigungen und Leidenschaften zu folgen. Der Maler, Zeichner und Holzschneider Bernd Zimmer ist ein solcher Seiteneinsteiger. Diese beeindruckende Ausstellung mit über achtzig Arbeiten aus einem Zeitraum von über zwanzig Jahren gibt mir die Gelegenheit für den biografisch so wichtigen Hinweis, wann und wie Bernd Zimmer zum ersten Mal auf der Bühne der bildenden Kunst aufgetreten ist. Die Jahre um 1980 waren eine aufregende, eine spannungsreiche, auch hoffnungsvolle Zeit.
Dies galt weniger für München, das damals als „Schlusslicht der deutschen Kunstszene“ bezeichnet wurde. Köln aber wie auch West-Berlin waren zu Zentren der zeitgenössischen Kunst aufgestiegen. Dabei war deren Profil völlig verschieden: In Köln zelebrierte man mit rheinischem Genuss die Anfänge des kommerziellen Kunstbetriebs, während in West-Berlin ein völlig anderes Klima herrschte: Es war das Klima von künstlerischen Eigeninitiativen und Selbsthilfegruppen.
Und hier kommt Bernd Zimmer unmittelbar ins Spiel. 1948 in Planegg bei München geboren, ging der gelernte Verlagsbuchhändler im Jahr 1973 nach West-Berlin, um als Buchgestalter im Verlag von Klaus Wagenbach zu arbeiten. Doch bald darauf setzte die Wende in seinem beruflichen Leben ein. Zimmer studierte Philosophie sowie Religionswissenschaften und nahm zugleich Kontakt zum Maler Karl-Heinz Hödicke auf, der eine Schar von Schülern um sich hatte. Er selbst begann die Malerei als Autodidakt. Kurzum: 1977 gehörte Zimmer zu den Gründern der Selbsthilfegalerie am West-Berliner Moritzplatz. Wem dieser seinerzeit legendäre Schauplatz nichts sagt, der mag daran erinnert werden, dass hier die so genannte ‚Heftige Malerei‘ geboren wurde – jene expressive Richtung in der jungen westdeutschen Kunst, die dann jahrelang wie ein Markenzeichen gehandelt wurde.
Die so genannten ‚Moritzboys‘ waren vier Künstler, die alle das große Format bevorzugten: Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé – und eben Bernd Zimmer. Doch während Fetting grelle Großstadtszenen malte, Middendorf vorzugsweise die Ekstase von Sängern und Tänzern in alternativen Musik-Clubs und der exzentrische Salomé sich auch als Transvestit ins Bild brachte, behandelte Bernd Zimmer ganz andere Themen. Noch mehr: Innerhalb dieser Gruppe konnte er geradezu als Exot gelten. Brachten nämlich seine Kollegen die ‚Großstadteingeborenen‘ auf die Leinwand, so wählte Zimmer vor allem Motive aus seiner bayerischen Heimat – wie etwa Felder, Kühe, Bäume und alpine Berge.
Diese Szenen wirkten in Berlin derart fremdartig, dass man dort von einem „Utopia“ oder von der Rückbesinnung auf eine heile Welt sprach. So waren denn auch in den schon erwähnten Münchner Ausstellungen von Zimmer ein starkfarbiger Kuhschädel zu sehen, ein Gebirgszug oder ein als ‚Versuchung im Wald‘ betiteltes Bild. Wichtig dabei war – und so ist es auch geblieben, dass Bernd Zimmer nicht vor oder in der Natur malt und zeichnet, sondern aus einer gesättigten Erinnerung heraus. Seine Werke entsprechen keiner äußeren Wirklichkeit wie etwa bei Lovis Corinth die berühmten Walchensee-Bilder. Zimmers Landschaften lassen sich topografisch nicht zuordnen. Was sich in ihnen ausdrückt, ist seine Übersetzung von weltlichen Erfahrungen in geistig und seelisch selbständige Vorstellungsbilder.
Seitdem haftet Bernd Zimmer das Etikett des Landschaftsmalers an. Das ist nicht ganz falsch, weil er es auch ist. Hier und heute, in dieser Ausstellung, begegnen wir aber nicht dem Vollblutmaler Zimmer, sondern einem Meister des Holzschnitts. Es mag überraschen, dass ein Maler, der vor allem dem wilden Duktus des amerikanischen Expressionismus aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden ist, dass ein solcher Maler 1985 die klassische grafische Technik der Holzschneiderei für sich entdecken konnte. Doch Zimmer steht damit keineswegs allein, wie zahlreiche Beispiele aus der zeitgenössischen Kunst zeigen. Und sein OEuvre auf diesem Gebiet ist im Laufe der Jahre gewaltig gewachsen: Derzeit sind es rund dreihundert Motive, die es teilweise in mehreren Druckvarianten gibt. Was aber macht auch für Bernd Zimmer den Reiz des Holzschnitts aus? Sicherlich ist es die Herausforderung, dass das künstlerische Tun hier ein gesteigertes handwerkliches Können verlangt. Dabei setzt das Material dem Wollen einen starken Widerstand entgegen, der mit Schneidemesser oder Kettensäge gebrochen sein will. Auf der anderen Seite eröffnen die Oberflächen der Hölzer, ihre Maserungen und Strukturen, dem Künstler viele Möglichkeiten, die er ansonsten nicht hat. Wenn Sie die Blätter in dieser Ausstellung sorgfältig betrachten, werden Sie erkennen, wie stark zuweilen die Materialeigenschaften den künstlerischen Ausdruck prägen. Auch Bernd Zimmer macht es sich zunutze, dass das Holz je nach Härte oder Beschaffenheit bei der Komposition mitspielt. So kommen denn die Druckstöcke aus ganz verschiedenen Quellen: Neben Naturhölzern verwendet der Künstler auch industrielle Erzeugnisse wie Pressspanplatten oder vorgefundene Holzstücke wie alte Dielenbretter. Zum Reiz des Holzschnitts möchte ich gern Georg Reinhardt zitieren, der im Jahr 2000 die erste Ausstellung von Bernd Zimmers Druckgrafik gezeigt hat: „So lässt sich ganz besonders im Holzschnitt von einem mehrschichtigen inneren Dialog sprechen, den der ausführende Künstler über das eigenlebendige Holz mit seiner künstlerischen Vorstellung führt. In dieser Dialektik von materiellem Widerstand und unmittelbarem Schöpfungsakt, der ein Höchstmaß an konzentrierter Bearbeitung des Druckstocks erfordert, da Fehlschnitte irreparabel sind und nicht wie etwa in der Malerei durch Übermalung kaschiert werden können, scheint das Faszinosum dieser druckgrafischen Technik zu liegen.“
Wie diese Ausstellung vorführt, ist Bernd Zimmer längst mehr als nur ein Landschaftsmaler. Es geht ihm nämlich um das Ganze des Kosmos. Nicht umsonst trägt ein Gespräch mit ihm den Titel „Ich bin geprägt durch die Achtung vor der Schöpfung“. – Neben Mensch, Tier und Pflanze ist in seinem Empfinden auch die Erde selbst ein Lebewesen, beispielsweise mit unterirdischen Wasserläufen und Energieströmen. Diese ganzheitliche Betrachtung will sich Ihnen, meine Damen und Herren, in den Blättern mitteilen. Und wenn Sie die Jahreszahlen vergleichen, dann wird Ihnen auffallen, wie sich das druckgrafische Werk von Bernd Zimmer entwickelt hat, welch zunehmende Rolle etwa die unterschiedlichen Farben spielen, wie sehr sie zur jeweiligen Atmosphäre betragen. Man kann es auch so formulieren: Der Künstler ist von der Interpretation der Welt über die Imagination von Naturerlebnissen bis hin zu einer Verfremdung der Motive vorangeschritten, die nun uns herausfordert, den besonderen Kern seiner Gestaltungen freizulegen. Der Künstler macht uns Angebote, die wir nur anzunehmen brauchen. Dabei kann er auf einen großen Schatz an Erfahrungen zurückgreifen. Seit 1994 mit seiner Familie in Polling bei Weilheim lebend, hat er zahlreiche Regionen der Erde bereist, unter anderem auch Afrika und die Südsee.
Zum Abschluss dieser Einführung möchte ich Sie zu einer Promenade durch das Haus verführen. Dabei beschränke ich mich auf einige Werkgruppen, wobei anzumerken ist, dass Bernd Zimmer seine Holzschnitte fast ausschließlich in Serien anlegt. – Hier in der Halle sehen Sie an der hohen Wand den Zyklus ‚Flowers of Romance‘ mit dem Thema von Werden und Vergehen, bei dem mindestens acht Druckstöcke verwendet wurden. Im Raum zur Linken finden sie Blätter zum Thema ‚Himmel‘ und im Treppenhaus solche zum Thema ‚Wüste‘ nach einem Aufenthalt in Namibia. Ganz besonders möchte ich auf den kleinen Raum rechterhand mit einer Tür zum Garten hinweisen. Dort ist der Zyklus ‚Erd-Schnitt‘ ausgestellt, der das Unsichtbare sichtbar machen soll: Unter einer sehr hoch liegenden Horizontlinie ist die Erde aufgeschnitten, damit sich sowohl die geologische Vielfalt als auch das verborgene Leben mit blauen Wasser- und roten Feuerströmen vorstellen lassen. Oberhalb der Treppe zum 2. Geschoss treffen Sie auf den großen Gegensatz bei der Bearbeitung von Holzstöcken. Es handelt sich um das gleiche Motiv ‚Mann im Baum‘ – und doch ist die Wirkung völlig verschieden. Das linke Blatt ist im klassischen Weißschnitt gestaltet, wodurch das Motiv im Negativ hervortritt, während das rechte Blatt das Motiv im positiven Schwarzschnitt zeigt. Wenn Sie dann weitergehen, treffen Sie im großen Raum auf Bernd Zimmers Hommage an den ‚Lenz‘ von Georg Büchner. Diese Darstellung einer Entwicklung von Schizophrenie ist von technischer Raffinesse, da die Blätter zum einen mit Blau über Gelb und zum anderen mit Gelb über Blau gedruckt wurden – auf diese Weise hat sich ein farblicher Spannungsbogen von besonderer Qualität ergeben. Im hintersten Raum hängen schließlich die ersten Holzschnitte von Bernd Zimmer aus dem Jahr 1985 – hier sehen Sie die Anfänge auf dem Weg zu wahrer Könnerschaft.
Meine Damen und Herren, ich gratuliere dem Orplid zu diesem hervorragenden Künstler – und den Künstler beglückwünsche ich zu seiner Ausstellung, die hiermit eröffnet ist.